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Auswirkung auf Sprache und Schrift

Hörschädigungen können in jedem Lebensalter eintreten. Inwieweit sich Höreinschränkungen auf die lautsprachlichen Fertigkeiten, also das Sprechen, Lesen und die Verarbeitung von Sprache, auswirken, hängt im Wesentlichen davon ab, wann sie sich einstellten. Die Entwicklung der Lautsprache ist beim Menschen normalerweise im Alter von etwa 7 Jahren abgeschlossen. Tritt die Hörschädigung vor dem Abschluss des Spracherwerbs (prälingual) ein, spricht man von Frühschwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit. Tritt sie nach Abschluss des Spracherwerbs (postlingual) auf, spricht man von Spätschwerhörigkeit oder Ertaubung.

Kommunikation bei Frühschwerhörigkeit bzw. Gehörlosigkeit

Kinder, die angeborene oder noch vor dem 7. Lebensjahr entwickelte Hörschädigungen haben, werden als frühschwerhörig, resthörig oder gehörlos bezeichnet. Die reduzierte oder fehlende Hörfähigkeit hat entscheidende Auswirkungen auf die Entwicklung von Sprache. Ob eine lautsprachliche oder eine gebärdenorientierte Kommunikation bevorzugt wird, ist individuell unterschiedlich und hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab.

Heute bieten der frühe Zeitpunkt der Diagnostik, das breite Angebot der Frühförderung und die Entwicklung neuer Hörtechnik diverse Möglichkeiten der Therapie und Unterstützung bei Hörschädigungen: Familien können sich in Abstufungen und Kombinationen für eine hörgerichtete oder eine gebärdenorientierte Sozialisation entscheiden. Die hörgerichtete Früherziehung fokussiert auf lautsprachliche Kommunikation über das Hören und Sprechen; die gebärdenorientierte zielt auf visuelle Verständigung über Gebärden ab.

Schwerhörige oder gehörlose Kinder, die  frühzeitig mit Hörsystemen (Hörgeräte oder Cochlea-Implantate (CI)) versorgt und in pädaudiologischen Zentren in ihrer Hör-, Sprech- und Sprachkompetenz gefördert werden, entwickeln erfahrungsgemäß gute sozial-kommunikative Kompetenzen, können als funktional schwerhörig eingestuft werden und kommunizieren vornehmlich lautsprachlich. Das Sprechbild kann allerdings weniger deutlich und der Wortschatz etwas reduziert sein.

Gehörlose oder resthörige Kinder, die vornehmlich gebärdensprachliche Lern- und Kommunikationserfahrungen machen, werden auch als Erwachsene diese Art der Kommunikation bevorzugen. Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) als eigenständige Sprache rechtlich anerkannt. Sprachwissenschaftler konnten zeigen, dass die Gebärdensprache alle Merkmale einer voll ausgebildeten Sprache besitzt. Sie wird visuell über verschiedene Handformen und Bewegungsabläufe „artikuliert“. Die Gebärdensprache hat kein eigenes Schriftsprachsystem. Bei gebärdensprachlich sozialisierten Menschen ist die Fähigkeit zu Schreiben oder zu Lesen in der Regel eingeschränkt. Neue Wörter oder Fachbegriffe werden nicht „automatisch“ über das Gehör aufgenommen, sondern müssen erlernt werden.

Kommunikation bei Spätschwerhörigkeit oder Ertaubung

Menschen mit Spätschwerhörigkeit nutzen auch nach Eintreten der Hörschädigung Lautsprache zur Kommunikation im Alltag. Die Schriftsprache für das Schreiben und Lesen wird ebenfalls weiterhin genutzt. Das Erlernen alternativer Kommunikationsstrategien wie die Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende/lautsprachunterstützende Gebärden (LBG/LUG) stellt eher die Ausnahme dar. LBG/LUG machen Lautsprache sichtbar, indem parallel zum gesprochenen Wort eine bedeutungsgleiche Gebärde ausgeführt wird. LBG/LUG setzen eine möglichst gute Lautsprachkompetenz voraus.

Auf lange Sicht verändert sich auch bei Menschen mit hochgradiger Spätschwerhörigkeit die Lautsprachkompetenz. Betroffen sind besonders die Fähigkeiten zur deutlichen Artikulation und zur Regulierung der Stimmlautstärke. Neue Fachbegriffe bzw. Redewendungen, die dem aktuellen Zeitgeist entsprechen, werden nicht selbstverständlich akustisch „aufgeschnappt“, sondern müssen erlernt werden.

Wenn nach Abschluss des Spracherwerbs ein kompletter Hörverlust auftritt, spricht man von postlingualer Ertaubung oder Spätertaubung. Zumeist sind Personen im hohen Lebensalter hiervon betroffen. Auch für sie steht weiterhin die Nutzung der Laut- und Schriftsprache im Vordergrund. Die Aneignung alternativer Wege der Kommunikation über LBG/LUG sowie das Absehen vom Mundbild sind jedoch empfehlenswert.