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Barrierefreie Kommunikationstechnik bereitstellen

Veranstaltungssituation mit drei Großbildleinwänden, eine für Schriftsprachdolmetschung, eine für Präsentationsfolien und eine mit Großaufnahme des jeweils Vortragenden.

(Quelle: Gerlinde Renzelberg)

Bei Konferenzen und Veranstaltungen ist es unbedingt notwendig, spezielle Kommunikationssysteme für Hörgeschädigte bereitzustellen. Nur so kann Sprachverständlichkeit gewährleistet und die aktive Teilnahme von Anwesenden ermöglicht werden. Normale Beschallungsanlagen reichen hierfür meist nicht aus.

1 Probleme bei der Kommunikation auf Veranstaltungen

1.1 Problematische Sprachübertragung

Wenn Personen sich in einem Raum befinden und miteinander sprechen, wird Sprachschall über die Luft übertragen und gelangt schließlich an das Gehör. Den Sprachschall bezeichnet man auch oft als Nutzschall, um zu verdeutlichen, dass diese Schallanteile für die Hörer interessant und wichtig sind. Im Alltag existieren aber fast immer noch andere Geräusche, die nicht im Fokus des Interesses von Gesprächspartnern stehen.

Dieser sogenannte Störschall ist meist vielfältiger Natur. Es kann sich um Verkehrslärm handeln, der von außen in Räumlichkeiten eindringt, gerade bei größeren Ansammlungen von Menschen sind auch die eigenproduzierten Geräusche wie Stühlerücken, Handyklingeln, Hüsteln, Rascheln usw. eine bedeutsame Störschallquelle. Folge dieser vielfältigen Störschallquellen ist, dass die Wahrnehmung des Nutzschalls, der Sprache, erschwert wird. Das Gehör muss die Leistung erbringen, Störschallquellen zu identifizieren und herauszufiltern, um die Wahrnehmung der Sprache auch bei hohem Störschall zu ermöglichen. Diese Leistung der Filterung von Störschall ist bei Personen mit Hörschädigung aber meist stark eingeschränkt.

Zusätzlich besteht das Problem, dass die Entfernung zwischen einem Sprecher und einem Hörer die Qualität der übertragenen Sprache beeinflusst: Je weiter der Hörer vom Sprecher entfernt sitzt, desto mehr nimmt die Qualität des Nutzschalls ab.

1.2 Fehlende visuelle Ressourcen

Gerade bei höhergradigen Hörbeeinträchtigungen stützen sich betroffene Personen auf visuelle Ressourcen wie Mimik, Gestik und Mundbild von Gesprächspartnern. Durch das Absehen vom Mund können z. B. bis zu 30 % der vom Menschen gebildeten Laute entschlüsselt werden. Mimik und Gestik lassen auch die Emotionen des Gegenübers erkennen. Dies stellt für Personen mit Hörproblemen eine wichtige kommunikative Ressource da. Denn die emotionalen Informationsinhalte von Stimme und Sprachmelodie – Stimme und Sprechweise können z. B. warnend, wütend, weinerlich oder lustig sein – sind für sie oft nur durch Beobachtung von Mimik und Gestik zugänglich. Diese wichtigen Ressourcen sind für Personen mit Hörschädigung, besonders bei größeren Veranstaltungen und bei Besprechungen mit einer größeren Teilnehmergruppe, nur eingeschränkt verfügbar.

Die im Folgenden beschriebenen Technologien und Dienstleistungen ermöglichen effektive Kommunikation trotz dieser Probleme.

2 Technologische Unterstützung visueller Ressourcen

Wenn mehrere (grundsätzlich aber mehr als zwei) hörgeschädigte Personen an einer Veranstaltung teilnehmen, müssen mindestens zwei Großbildleinwände zur Verfügung stehen, damit ein barrierefreier Zugang zu Information und  Kommunikation gewährleistet ist. Die Leinwände werden folgendermaßen genutzt:

  • Leinwand mit verschriftlichten Wortbeiträgen. Schriftdolmetscher verschriftlichen das gesprochenen Wort, hörgeschädigte und normalhörende Teilnehmer können über die Leinwand darauf jederzeit zugreifen.
  • Leinwand mit Großaufnahme des Sprechers. Wichtig, um visuelle Ressourcen wie Mimik, Gestik und Mundbild für alle Teilnehmer verfügbar zu machen (notwendig bei größeren Veranstaltungen).

Wenn bei der Veranstaltung weitere visuelle Mittel wie PowerPoint-Präsentationen o. ä. eingesetzt werden sollen, wird die Verwendung einer weiteren Leinwand notwendig.

Im Bild unten: Veranstaltungssituation auf einem Bundeskongress des Deutschen Schwerhörigenbundes. Die mittlere Großbildleinwand steht für Präsentationsfolien zur Verfügung.

Veranstaltungssituation mit drei Großbildleinwänden, eine für Schriftsprachdolmetschung, eine für Präsentationsfolien und eine mit Großaufnahme des jeweils Vortragenden., Grossansicht öffnen

(Quelle: Gerlinde Renzelberg)

3 Stationäre Kommunikationssysteme

Mittels stationärer Sprachübertragungsanlagen soll Sprachschall direkt und ohne Qualitätsverluste an das menschliche Gehör geleitet werden. Wenn Räumlichkeiten mit Sprachübertragungsanlagen ausgerüstet sind, ist barrierefreie Kommunikation für Personen mit Hörschädigung gewährleistet.

Sprachübertragungsanlagen greifen Sprachsignale bei größeren Besprechungen und Veranstaltungen direkt an Mikrofonanlagen oder anderen Audioquellen ab, wandeln sie in Sendesignale um und übermitteln die Signale im Raum. Das Sprachsignal kann dann in hoher Qualität vom hörbeeinträchtigten Teilnehmer empfangen werden.

Es gibt unterschiedliche Arten von Sprachübertragungsanlagen. Unterschieden werden die Anlagen gemäß der verwendeten Technologien, mittels welcher Sendesignale übermittelt werden. Auf dem Markt erhältlich sind:

  • induktive Höranlagen
  • FM-Anlagen
  • Infrarot-Anlagen

Induktive Höranlagen setzen auf elektromagnetische Felder zur Übermittlung, FM-Anlagen arbeiten mit Funk und Infrarotanlagen übersenden Informationen mittels Infrarotlicht.

Die Ausstattung des Raumes mit einer induktiven Höranlage ermöglicht es Personen mit entsprechend ausgerüsteten Hörgeräten und Cochlea-Implantaten, Nutzsignale über diese persönlichen Geräte zu empfangen. Bei Infrarot- und FM-Anlagen werden demgegenüber zusätzliche Empfänger benötigt, über die das Sprachsignal zum Hörgerät bzw. zum  Cochlea-Implantat gelangt.

Nutzung von Sprachübertragungsanlagen ohne Hörgerät möglich

Alle stationären Sprachübertragungsanlagen können grundsätzlich auch von Personen genutzt werden, die kein Hörgerät tragen. Dazu ist nur die Bereitstellung eines Empfangsgerätes mit Kopfhörer notwendig.

3.1 Induktive Höranlagen

Bei induktiven Höranlagen wird der Sprachschall über ein Mikrofon in ein elektrisches Signal umgewandelt und in ein Kabel eingespeist. Dieses wird in einer Schleife rundherum im benutzten Raum verlegt (daher auch der Name „Ringschleifenanlage“). Innerhalb der Kabelschleife erzeugt das elektrische Signal ein elektromagnetisches Feld, das von Hörgeräten und Cochlea-Implantaten mit entsprechender Ausstattung direkt empfangen und ohne Qualitätsverlust verstärkt an das Ohr übermittelt werden kann.

Direkter Empfang von Sprache mittels Telefonspule

Zum Empfang der Sprachsignale über induktive Höranlagen ist lediglich erforderlich, dass das Hörgerät bzw. das Cochlea-Implantat über eine sogenannte Telefonspule verfügt und diese aktiviert ist. Die Aktivierung erfolgt bei Hörgeräten durch die Schalterposition auf "T", bei Cochlea-Implantaten wird auf ähnliche Weise ein dafür konfiguriertes Hörprogramm gewählt.

Verstärker für eine induktive Höranlage., Grossansicht öffnen

(Quelle: Humantechnik)

Wenn kein Hörgerät getragen wird bzw. wenn kein Hörgerät mit Telefonspule vorhanden ist, wird das durch die Höranlage verstärkte Nutzsignal zu einem mobilen Empfangsgerät gesendet. Es kann dann per Kopfhörer aufgenommen werden oder mittels eines Audiokabels direkt an ein Hörgerät übermittelt werden.

Induktive Höranlagen haben den Vorteil, dass der Empfang der Nutzsignale für Personen mit Hörgerät oder Cochlea-Implantat leicht und unauffällig möglich ist. Im Gegensatz zu Infrarot- und FM-Anlagen müssen keine separaten Empfänger bereitgehalten werden, ein ständiger Service, der die Ausgabe von Empfängern und deren Reinigung gewährleistet, kann demnach weitestgehend entfallen.

Die Kosten für die Installation einer induktiven Höranlage halten sich in Grenzen, wenn das im Raum zu verlegende Kabel bereits beim Bau von Räumlichkeiten eingeplant wird. Bei dem notwendigen Kabel handelt es sich dabei um ein normales einadriges Kabel, der Verstärker muss zusätzlich erworben werden. Induktive Höranlagen sind auch in mobiler Ausführung erhältlich.

Empfehlung für induktive Höranlagen in DIN-Norm

Induktive Höranlagen werden in einschlägigen Bauleitlinien empfohlen, um Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden herzustellen. Carsten Ruhe, Leiter des Referates Barrierefreies Planen und Bauen des Deutschen Schwerhörigenbundes, bemerkt hierzu:

Der Norm-Entwurf DIN 18040 „Barrierefreies Bauen“ fordert in öffentlichen Gebäuden dann eine IndukTive Höranlage, wenn auch eine Beschallungsanlage für Guthörende eingebaut wird.

3.2 FM-Anlagen

Bei FM-Anlagen werden Sprachsignale in Funksignale umgewandelt. Zum Empfang sind spezielle Empfänger notwendig, die auf die Funkfrequenz des Senders eingestellt sein müssen. Die Empfänger müssen als Teil der FM-Anlage in den betreffenden Räumlichkeiten bereitgehalten werden.

FM-Anlagen erreichen bei Übermittlung von Nutzsignalen sehr hohe Reichweiten von bis zu 300 Metern, Sprachsignale können so auch bei großen Veranstaltungen problemlos gesendet und empfangen werden. Zusätzlich wird die Ausbreitung von FM-Signalen nicht durch natürliche Raumgrenzen wie Wände begrenzt. Die hohe Sendereichweite kann aber auch zu Problemen führen, wenn Signale, die nicht "für fremde Ohren" bestimmt sind, außerhalb des Veranstaltungsortes empfangen werden können.

Bei Veranstaltungen, die im Freien stattfinden, sind FM-Anlagen von Vorteil. Wegen Lichteinstrahlung ist der Einsatz von Infrarot-Anlagen hier nicht möglich und die für induktive Signalübermittlung notwendigen Kabel sind meist nicht verfügbar.

Mehrere Übertragungskanäle verfügbar

Bei FM-Anlagen stehen grundsätzlich mehrere Funkkanäle zur Verfügung, die mit unterschiedlichen Signalen belegt werden können. Z. B. kann bei internationalen Veranstaltungen zusätzlich eine Fremdsprachdolmetschung erfolgen. Um doppelte Belegung von FM-Kanälen durch andere eventuell vorhandene Sendestationen zu vermeiden, ist bei der Installation von FM-Anlagen die Kontaktierung der zuständigen Fernmeldebehörde erforderlich.

Es existieren auch mobile FM-Sprachübertragungsanlagen, die von Personen mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten zu Veranstaltungen mitgebracht werden können.

3.3 Infrarot-Anlagen

Bei Infrarot-Anlagen erfolgt die Übertragung der Nutzsignale mittels Infrarot-Lichtstrahlen. Der Empfang macht, wie auch bei der FM-Anlagen ein spezielles Empfangsgerät erforderlich, welches in den Räumlichkeiten bereitgehalten und an Nutzer der Anlage ausgegeben werden muss.

Bei Infrarot-Anlagen dienen bestimmte, für das menschliche Auge nicht sichtbare Lichtspektren als Übertragungsmedium. Die Infrarotstrahlen haben die Eigenschaft, dass sie sich innerhalb der vorgegebenen räumlichen Grenzen bewegen.

Wahrung von Diskretion durch Infrarot-Anlagen

Die Eigenschaft von Infrarot-Anlagen, dass ihr Sendebereich durch räumliche und materielle Grenzen begrenzt wird, ist in bestimmten Situationen von Vorteil: Übermittelte Informationen verbleiben im Raum, Diskretion ist gewährleistet. Dies ist bei bestimmten Veranstaltungen und Anlässen (wie z. B. Gerichtsterminen) von Bedeutung.

Die Übertragung von Signalen mittels Infrarotlicht hat den Nachteil, dass in Schattenbereichen kein Signal empfangen werden kann. Als "Schattenbereich" gilt jeder Bereich, der hinter einem HIndernis liegt, das den Sendestrahl unterbricht. Solch ein Hindernis ist z. B. in Form eines direkten "Vordermanns" in einem Veranstaltungsraum gegeben. Auch bauliche Elemente, wie z. B. Pfeiler, können die Übermittlung behindern. Sind starke Lichtquellen in einem Raum vorhanden, ist die Übertragungsqualität ebenfalls gefährdet. Z. B. kann direkte Sonneneinstrahlung die Infrarot-Sendesignale stören.

Kinnbügelhörer zum Empfang von Signalen von Infrarot-Anlagen., Grossansicht öffnen

Kinnbügelhörer zum Empfang von Infrarot-Signalen.(Quelle: Humantechnik)

Mehrere Übertragungs-Kanäle und Anlagen nutzbar

Bei Infrarot-Anlagen können grundsätzlich mehrere Übertragungskanäle nebeneinander genutzt werden. Z. B. kann bei internationalen Veranstaltungen eine Belegung mit einer Fremdsprachdolmetschung erfolgen. Da die Infrarotsignale innerhalb von Räumlichkeiten verbleiben, ist zudem die Nutzung mehrerer Anlagen in direkt angrenzenden Veranstaltungsräumen unproblematisch – im Gegensatz zu FM-Anlagen und induktiven Höranlagen.

4 Hörgeräte und Cochlea-Implantate mit hilfreichen Schnittstellen

Hörgeräte und Cochlea-Implantate sollten möglichst kompatibel sein mit externen Kommunikationssystemen, die zur Sprachübertragung dienen bzw. diese verbessern. Hierzu sollten Hörgeräte möglichst über zwei Eigenschaften verfügen:

Die Steuergeräte von Cochlea-Implantaten sollten als Zubehör oder integriertes Bauteil eine separat aktivierbare Telefonspule und einen FM-Empfänger enthalten.

Telefonspule

Als Telefonspule, T-Spule oder Induktionsspule bezeichnet man ein Bauteil, welches in vielen Hörgeräten und in den Steuergeräten von Cochlea-Implantaten integriert ist. Die Telefonspule kann Sprachsignale, die in Form elektromagnetischer Spannung verschlüsselt sind, direkt empfangen und an das Gehör weiterleiten. Dies ist der Sprachqualität und dem Verstehen zuträglich.

Entsprechend kodierte Sprachinformationen treten heute besonders in zwei Bereichen auf:

  • Telefonie: Die Hörer von speziellen Schwerhörigentelefonen geben elektromagnetisch verschlüsselte Sprachsignale ab, die von der T-Spule empfangen werden können. Bei normalen Telefonen ist auch die Verwendung einer sogenannten Teleschlinge üblich, die elektrische Sprachsignale in elektromagnetische Spannung umwandelt und so die Nutzung der T-Spule erlaubt.
  • Öffentliche Veranstaltungen: Induktive Höranlagen, die bei Veranstaltungen Personen mit Höreinschränkung unterstützen, arbeiten mit elektromagnetischen Sprachsignalen

Zum Empfang der Sprachsignale muss das Hörgerät auf das Programm „T“ (Telefonspule) umgestellt werden, bei den Steuergeräten von Cochlea-Implantaten muss die dem Produkt entsprechend vorgesehene Aktivierung des Bauteils erfolgen. Die Art, wie dieses geschieht, wird dem Besitzer bei der Einweisung in den Gerätegebrauch erklärt.

Audioschuh

Als Audioschuh bezeichnet man einen Adapter, welcher auf ein Hinter-dem-Ohr Hörgerät aufgesteckt werden kann. Der Audioschuh erweitert die Funktionalitäten des Hörgerätes: Auf ihn kann ein FM-Empfänger aufgesteckt werden oder er wird per Audiokabel direkt mit einer Audio-Quelle verbunden. Auf diese Weise ist es möglich, die Signale externer Audio-Geräte wie Radio, Fernseher usw. direkt im Hörgerät zu empfangen.

Darüber hinaus können bei Veranstaltungen durch den Einsatz von Sprachübertragungsanlagen und Audioschuh Sprachsignale direkt und unauffällig ans Gehör übertragen werden. Voraussetzung für die Verwendung eines Audioschuhs ist, dass am Hörgerät spezielle Steckverbindungen existieren. Es ist nicht bei allen HdO-Hörgeräten möglich, einen Audioschuh anzubringen. Bei In-dem-Ohr Hörgeräten ist dies grundsätzlich nicht möglich.

Im Bild zu sehen ist ein HdO-Hörgerät mit Audioschuh und Audiokabel. Zu erkennen ist der dreipolige Stecker des Audiokabels, der in den Audioschuh eingesteckt wird. Anstatt des Audiokabels kann an selber Stelle ein FM-Empfänger eingesteckt werden.

Hörgerät mit Audioschuh und Audiokabel., Grossansicht öffnen

(Quelle: Carsten Ruhe)

Im Bild unten: Ein FM-Empfänger zum Aufstecken auf einen Audioschuh.

Aufsteckbarer FM-Empfänger für Hörgeräte mit Audioschuh., Grossansicht öffnen

(Quelle: Phonak)

Weiterführende Informationen

Thema barrierefreie Veranstaltung allgemein:

Thema stationäre Sprachübertragungsanlagen:

Wikipedia-Artikel:

Informationen von Herstellern und anderen Anbietern: