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Seniorenstiftung Prenzlauer Berg

Präsentierdene spricht ins Mikrofon, im Hintergrund ist die Leinwand der Schriftmittlung bzw. Schriftdolmetschung zu sehen

Quelle: Seniorenstiftung Prenzlauer Berg

Schriftdolmetscher

Die Seniorenstiftung Prenzlauer Berg ist Träger von vier Senioreneinrichtungen in Berlin. Zu ihren Bewohnern gehören auch höreingeschränkte Personen – in einem ihrer Häuser hat die Stiftung ein Kompetenzzentrum für Menschen mit Höreinschränkungen eingerichtet. Wenn die Stiftung öffentliche Veranstaltungen zum Thema Kommunikation und Hören ausrichtet, engagiert sie dafür Schriftdolmetscher.

Ausgangslage

Einmal im Jahr veranstaltet die Seniorenstiftung ihre Fachtagung zum Themenbereich „Barrierefreie Kommunikation“. So ging es 2013 ging etwa um „Barrierefreie Kommunikation – Vorbeugung und Umgang mit Schwerhörigkeit im Beruf“. Damit auch Menschen mit Höreinschränkungen teilnehmen können, engagiert Pflegedienstleiterin Clarissa Lejeune-Jung jedes Jahr zwei Schriftdolmetscherinnen. „Im ersten Veranstaltungsjahr hatten wir in den Anmeldebögen noch abgefragt, ob Menschen mit Höreinschränkungen dabei sein werden. Inzwischen buchen wir die Schriftdolmetscher automatisch, um die Barrierefreiheit von vornherein zu gewährleisten“, sagt Clarissa Lejeune-Jung.

Sie weiß: Menschen, die schwerhörig sind und Hörgeräte tragen, haben besonders in größeren Veranstaltungen Schwierigkeiten, den Wortbeiträgen zu folgen. Viele Nebengeräusche, eine große Entfernung zwischen Redner und Zuhörer oder das Durcheinandersprechen von mehreren Personen können die Verständlichkeit erheblich einschränken. Ein Schriftdolmetscher wird hier zu einer wertvollen Kommunikationshilfe.

Wie es funktioniert

Das Prinzip des Schriftdolmetschens ist einfach: Gesprochene Worte werden synchron von Schriftdolmetschern in einen schriftlichen Text übersetzt. Sie dokumentieren alles, was während einer Veranstaltung vorgetragen und gesagt wird. Der so entstandene schriftliche Text erscheint auf dem angeschlossenen Monitor oder wird bei größeren Veranstaltungen per Beamer auf die Leinwand projiziert und ist somit für alle mitlesbar.

Insgesamt gibt es drei verschiedene Verfahren, Gespräche zu erfassen und in Schrift zu übersetzen. Im konventionellen Verfahren schreiben die Schriftdolmetscher alle Wortbeiträge auf einer herkömmlichen Computertastatur mit. Damit es schnell geht, arbeiten sie oftmals mit Kürzeln.

Die zweite Methode wird von Schriftdolmetschern ausgeführt, die die Computerstenografie beherrschen. Sie tippen ihre Mitschriften in Steno-Kurzschrift über eine spezielle Stenografie-Tastatur in den Computer. Eine Transkriptions-Software entschlüsselt die Steno-Kurzschrift, so dass auf Monitor oder Leinwand ein mitlesbarer Text erscheint.

Bei einer dritten Variante bedienen sich speziell ausgebildete Schriftdolmetscher einer Spracherkennungssoftware. Sie sprechen das Gehörte in eine sogenannte Sprachmaske – ein Mikrofon, das von einer Maske umgeben ist, damit die leise nachgesprochenen Worte die Zuhörer nicht stören. Auch diese Methode läuft über den Computer. Mittels einer Spracherkennungssoftware wird das Gesagte in Text umgewandelt. Über die Tastatur nehmen die Schriftdolmetscher noch Textkorrekturen vor, geben Satzzeichen ein und machen Sprecherwechsel kenntlich, so dass auch hier wieder ein lesbarer Text für Monitor oder Leinwand entsteht.

Auf der Fachtagung der Seniorenstiftung arbeiteten die beiden anwesenden Schriftdolmetscherinnen nach der konventionellen Methode. Sie saßen im vorderen Bereich des Raumes nahe den Referenten. „Da die Schriftdolmetscher die Veranstaltung genau verfolgen und auch sehen müssen, wann wer spricht, müssen sie einen exponierten Platz bekommen“, sagt Clarissa Lejeune-Jung.

Wie bei der Seniorenstiftung arbeiten Schriftdolmetscher grundsätzlich zu zweit, wenn die Veranstaltung länger als eine halbe Stunde dauert. Da die Arbeit eine enorm hohe Konzentration erfordert, wechseln sich die Dolmetscher alle halbe Stunde in der Übersetzungstätigkeit ab.

„Wichtig ist es auch, den Dolmetscherinnen die Skripte der Redner möglichst schon vorab auszuhändigen“, sagt Pflegedienstleiterin Clarissa Lejeune-Jung. Fremdwörter, Fachausdrücke oder Namen können dann schon im Computer gespeichert werden und behindern beim Einsatz nicht die schnelle Verschriftlichung. Zudem ist eine frühzeitige Buchung der Schriftdolmetscher empfehlenswert.

Ergebnis

Von der Übersetzung durch die Schriftdolmetscher profitieren alle Zuhörer. Neben den Menschen mit Höreinschränkungen erleben auch gut Hörende sowie Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die Mitschriften als hilfreich. Durch die visuelle Aufbereitung des Gesprochenen können die Hörer komplexe Sachverhalte gegebenenfalls noch einmal nachlesen oder nach kurzer Unaufmerksamkeit dem Gesprächsverlauf wieder folgen.

Aufgrund der Datenschutzbestimmungen werden die Mitschriften nach der Veranstaltung vollständig gelöscht. Wurde vorab vereinbart, die Mitschriften anschließend noch als Protokoll zu nutzen, muss dies vor Veranstaltung bekannt gegeben werden. Wer nicht damit einverstanden ist, kann seinen Namen und seine Beiträge aus dem Skript löschen lassen.

Bei den Tagungen der Seniorenstiftung Prenzlauer Berg gab es diesbezüglich keine Probleme. „Wir waren immer froh darüber, dass wir die Protokolle von unseren Veranstaltungen auf unserer Internetseite zum Herunterladen bereitstellen konnten“, sagt Clarissa Lejeune-Jung. So kann sich auch, wer die Veranstaltung verpasst hat, noch eine Weile über den Inhalt informieren.

Finanzierung

Die Seniorenstiftung Prenzlauer Berg finanziert das Engagement der Schriftdolmetscher im Rahmen ihrer Fachtagung aus der eigenen Kasse.

Arbeitgeber, die in ihrem Betrieb hörgeschädigte Menschen mit festgestelltem Schwerbehindertengrad oder Gleichstellung beschäftigen, können beim Einsatz von Schriftdolmetschern einen Zuschuss im Rahmen des Nachteilausgleichs beim Integrationsamt beantragen. Sind die Einsätze regelmäßig erforderlich, können sie auch für einen längeren Zeitraum bewilligt werden.

Hörgeschädigte Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung (Grad der Behinderung mindestens 50 Grad oder den Personen mit Schwerbehinderung Gleichgestellte) haben im Bereich Ausbildung, Beschäftigung und medizinischer Versorgung einen Anspruch auf Hilfen zur Kommunikation. Dazu gehören auch Schriftdolmetscher. Grundlagen zur Finanzierung von Kommunikationshilfen sind im Sozialgesetzbuch, im Behinderten-Gleichstellungsgesetz (BGG) und der Kommunikationshilfe-Verordnung (KHV) festgeschrieben. Im Rahmen eines Persönlichen Budgets werden die Kosten nach Feststellung des individuellen Bedarfs von verschiedenen Kostenträgern übernommen, wie etwa dem Integrationsamt, der Arbeitsagentur, der Krankenkasse oder der Rentenversicherung.