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Telefonieren mit Hörbeeinträchtigung

erschienen in: Selbsthilfe, 3/2011, Rubrik Hilfsmittel, Seiten 22-23

Telefongespräche führen zu können, ist eine wichtige Alltagskompetenz. Für Menschen mit Hörschädigung ist die Kommunikation über das Telefon meist aber stark erschwert. Unterschiedliche Technologien können helfen, Telefonie im Alltag zu erleichtern. Auch andere Faktoren, wie das Verhalten von Gesprächspartnern, tragen entscheidend dazu bei, dass Kommunikation am Telefon gelingt.

Telefonieren stellt für viele Personen mit Hörschädigung ein Problem dar. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass die Übertragungsqualität von Sprache am Telefon im Vergleich mit der Sprachqualität beim „normalen“ Sprechen unter anwesenden Personen schlecht abschneidet. Ein weiterer Faktor, der die Qualität bei der telefonischen Sprachübertragung einschränkt, ist die Lautstärke. Während beim Sprechen unter Anwesenden die Sprache bis zu hohen Lautstärken angehoben werden kann, sind Telefone hinsichtlich der Lautstärkeregulierung stark begrenzt.

Schließlich wird besonders bei höhergradigen Hörbeeinträchtigungen das Sprachverstehen am Telefon dadurch stark erschwert, dass Mimik, Gestik und Mundbild des Gesprächspartners nicht wahrgenommen werden können. Denn gerade bei höhergradigen Hörbeeinträchtigungen stützen sich betroffene Personen auf diese visuellen Ressourcen. Durch das Absehen vom Mund können z. B. bis zu 30 % der vom Menschen gebildeten Laute entschlüsselt werden. Mimik und Gestik lassen auch die Emotionen des Gegenübers erkennen. Für Personen mit Hörproblemen ist es ohne Verfügbarkeit von Mimik und Gestik oft nur schwierig zu bestimmen, ob der Gesprächspartner am Telefon z. B. gerade mit wütender, weinerlicher oder trauriger Stimme spricht.

Unterschiedliche technische Lösungen abwägen

Welche technischen Hilfsmittel können angesichts der aufgezeigten Probleme die Kommunikation nachhaltig erleichtern? Eine Antwort auf diese Frage kann nur von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung der vorliegenden Form von Hörschädigung gegeben werden. Denn Hörbeeinträchtigung ist nicht gleich Hörbeeinträchtigung – weitreichende Unterschiede bestehen im Grad des Ausmaßes und hieraus resultierenden Bedürfnissen. Auch gibt es für Hörgeräteträger spezielle technische Hilfsmittel zum Telefonieren, die von Personen ohne Hörgerät nicht genutzt werden können.

Anhebung der Sprachlautstärke mittels Telefonverstärker

Bei gering- und mittelgradigen, aber auch bei hochgradigen Hörbeeinträchtigungen können Telefonverstärker eine wertvolle Hilfe darstellen. Sie verstärken das Signal, das normalerweise durch den Lautsprecher des Telefonhörers übermittelt wird. Telefonverstärker können z. B. in Form von externen Zusatzgeräten erworben und an bereits vorhandene Telefone angebracht werden.

Um einen externen Verstärker nutzen zu können, muss ein Festnetztelefon mit einem Hörer vorhanden sein, der aus dem Apparat ausgestöpselt werden kann. Der Verstärker wird dann in den frei gewordenen Audioausgang eingestöpselt. Zumeist wird von Verstärkern ein sogenannter RJ-Stecker verwendet, der Eingang am Telefon muss hiermit kompatibel sein. Für Schnurlostelefone können solche Verstärker nicht verwendet werden. Telefonverstärker können sowohl von Personen, die ein Hörgerät tragen, als auch von Personen ohne Hörgerät genutzt werden.

Teleschlingen für die Sprachübertragung direkt ans Hörgerät

Für Hörgeräteträger ist Telefonieren auch deswegen problematisch, weil bei der Übertragung des Sprachsignals vom Telefon zum Hörgerät Sprachqualität eingebüßt wird. Mit Hilfe unterschiedlicher Techniken kann die Übertragungsqualität verbessert werden.

Oftmals leisten so genannte „Teleschlingen“ gute Dienste: in den Audioausgang eines Festnetz- oder Mobiltelefons eingestöpselt, wandelt eine um den Hals gehängte Schlinge elektrische Sprachsignale in elektromagnetische Signale um. Die von der Teleschlinge ausgesandten Signale können dann vom Hörgerät direkt empfangen werden. Voraussetzung für die Nutzung der Technik ist, dass das Hörgerät auf  das Programm „T“ (Telefonspule) umgestellt werden kann. Hörgeräteakustiker können weiterhelfen, um zu klären, ob das persönliche Hörgerät über eine Telefonspule und ein entsprechendes Programm verfügt.

Schwerhörigentelefone

Schwerhörigentelefone verfügen serienmäßig über Funktionen, die für Hörgeschädigte hilfreich bei der Telekommunikation sind. Die Regulierung der Hörerlautstärke und des Hörertons ist standardmäßig möglich. Die verwendeten Telefonhörer strahlen elektromagnetische Schwingungen ab, um die direkte Übertragung von Sprachsignalen an Hörgeräte zu unterstützen. Außerdem kann bei den Geräten die Klingeltonlautstärke bis zu 90 dB angehoben werden, durch optische Signale wird zusätzlich auf eingehende Anrufe aufmerksam gemacht. Denn die Anrufsignalisierung stellt einen eigenen Problembereich neben dem Problem der Sprachübertragung dar: wenn Anrufe nicht zuverlässig entgegengenommen werden können, erübrigen sich Fragen nach der Sprachübertragung oft.

Es sind auch spezielle Mobiltelefone für Personen mit Hörbeeinträchtigung erhältlich.

Tipp: wenn Sie Hilfsmittel zur Telekommunikation ausprobieren möchten, bietet sich ein Besuch bei den Beratungsstellen des Deutschen Schwerhörigenbundes und anderer Betroffenenverbände an. Einige dieser Beratungsstellen verfügen über ständige Hilfsmittelausstellungen. Auch gute Hörgeräteakustiker sollten über Möglichkeiten und technische Lösungen zum Telefonieren Bescheid wissen.

Weitere Faktoren für effektive Telefonie

Nicht nur technische Faktoren entscheiden darüber, ob Telefongespräche von Personen mit Hörbeeinträchtigung problemlos geführt werden können. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Abwesenheit von Störlärm: Verkehrslärm, nebenbei laufende Gespräche von anderen anwesenden Personen oder im Hintergrund erklingende Musik sind bei Telefongesprächen unbedingt zu vermeiden. Denn Hörschädigungen schränken die menschliche Fähigkeit zur Filterung von Störlärm und zur Aufmerksamkeitsfokussierung auf Nutzsignale stark ein.

Essentiell für die Kommunikation am Telefon ist auch, dass eine adäquate Gesprächskultur und Sprechdisziplin eingehalten wird. Normalhörende Gesprächspartner sollten langsam und deutlich sprechen und genügend Pausen lassen. Hilfreich ist es ebenfalls, wenn wichtige Informationen wie Namen, Adressen schriftlich übermittelt werden, da hier das Risiko des Falschverstehens hoch ist. Es sollte Verständnis dafür aufgebracht werden, wenn hörgeschädigte Personen manchmal ablehnen zu telefonieren. Denn die Kommunikation ohne visuelle Unterstützung ist für Betroffene oftmals sehr anstrengend, die jeweilige „Tagesform“ muss berücksichtigt werden.

Abschließend ist also zu betonen: auch die beste Technik ist nutzlos, wenn Menschen sie nicht richtig nutzen und wichtige Rahmenbedingungen nicht beachten. Die oben beschriebenen einfachen, aber effektiven Regeln für Telefongespräche mit hörbeeinträchtigten Menschen sollten deswegen verinnerlicht und umgesetzt werden, bevor mit Technikeinsatz versucht wird, Probleme beim Sprachverstehen zu beheben.

Der Autor Markus Römer ist Mitarbeiter des Projektes hörkomm.de der DIAS GmbH. Die DIAS GmbH ist ein praxisorientiertes Forschungs- und Dienstleistungsunternehmen im Rehabilitationsbereich.