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Wie funktioniert Hören?

Hören ist ein komplexer Vorgang, an dem unterschiedliche Teile des Gehörs beteiligt sind. Dabei kann der Mensch die Hörvorgänge aktiv beeinflussen und steuern. Um Hörprobleme besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Funktionsweise des menschlichen Gehörs.

Die Wahrnehmung von Schallsignalen

Aus der Vielzahl von Geräuschen und Klängen, die uns umgeben, kann das gesunde Gehör den sogenannten Nutzschall herausfiltern. Das sind jene Signale, die für uns interessant und wichtig sind, wie etwa die Stimme eines Sprechers oder die Klänge eines Musikstücks. Dabei hilft die Fähigkeit des Gehörs zum Richtungshören: wenn eine Nutzschallquelle geortet wurde, können nichtinteressierende oder störende Schallteile aktiv ausgeblendet werden. Zum Störlärm gehören etwa Straßenlärm, Geräusche von Maschinen, Lüftungsanlagen, Kopierern oder Nebengeräusche wie Stühlerücke oder Nebengespräche bei Besprechungen.

Folgen einer Hörstörung

Bei einer Hörschädigung sind die Fähigkeiten, den Nutzschall und Störschall aktiv zu filtern, meist sehr eingeschränkt. Um Sprachinhalte zu verstehen, müssen sich Menschen mit Hörschädigungen hochgradig konzentrieren und nicht gehörte Worte oder Silben im Kopf entsprechend ergänzen. Diese anstrengende Leistung können Normalhörende kaum nachvollziehen.

Die Schallverarbeitung im gesunden Gehör

Anatomische Darstellung des menschlichen Gehörs, Grossansicht öffnen

Quelle: Audio Service

Bei der Schallverarbeitung durchläuft der Schall die unterschiedlichen Bereiche des Gehörs. Dazu gehören das Außenohr, das Mittelohr und das Innenohr. Über den Hörnerv ist das Gehör mit dem Hörzentrum des Gehirns verbunden. Dort wird sein Sinngehalt entschlüsselt.

Das Außenohr

Das Außenohr besteht aus der äußerlich sichtbaren Ohrmuschel und dem circa 3 bis 3,5 cm langen Gehörgang. Die Hauptfunktion des Außenohrs besteht darin, den aus der Umwelt kommenden Schall zu bündeln und an die inneren Teile des Gehörs weiterzuleiten. Es spielt auch beim Richtungshören eine wichtige Rolle. Die gewundene Form der Ohrmuschel unterstützt die Fähigkeit des menschlichen Gehörs, Schallquellen zu lokalisieren.

Das Mittelohr

Zum Mittelohr gehören das Trommelfell und die drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel. Das Trommelfell bildet die Grenze zwischen Außenohr und Mittelohr. Es handelt sich hierbei um ein dünnes Häutchen, das einen Durchmesser von ca. 10 mm aufweist.

Wenn der Schall auf das Trommelfell trifft, wird es in Schwingung versetzt. Diese Schwingungen gibt das Trommelfell an die Gehörknöchelchen des Mittelohres weiter, die den Luftschall in mechanische Energie umwandeln. Der so umgewandelte Schall wird von den Gehörknöchelchen bis an die Grenze zwischen Mittelohr und Innenohr, das sog. ovale Fenster, getragen. Es wird von der Fußplatte des Steigbügels, des letzten Knöchelchens, verschlossen. Die Bewegungen des Steigbügels geben die Schallenergie an das flüssigkeitsgefüllte Innenohr weiter.

Der Hohlraum im Mittelohr wird als "Paukenhöhle" bezeichnet und ist ein luftgefüllter Bereich. Die Luft gelangt aus dem Nasen-Rachen-Raum über die sogenannte Eustachische Röhre herein. Durch die Verbindung des Mittelohrs mit dem Nasen-Rachen-Raum ist für einen ständigen Luftdruckausgleich zwischen Mittelohr und Außenwelt gesorgt.

Druckausgleich im Mittelohr

Wenn der Druckausgleich im Mittelohr gestört ist, wird auch die Beweglichkeit der Gehörknöchelchen und damit das Hörvermögen beeinträchtigt: Dies kann bei Erkältungen der Fall sein, durch die die Luftzirkulation zwischen Mittelohr und Nasen-Rachen-Raum eingeschränkt ist. Oder wenn sich der äußere Luftdruck schnell in größerem Ausmaß verändert, wie es etwa im Flugzeug oder bei Tauchgängen geschieht. Oft kann in solchen Fällen der Druckausgleich wiederhergestellt werden, indem man den Mund schließt, sich die Nase zuhält und von der Lunge aus kurz Luft in den Nasenraum „hochdrückt“.

Das Innenohr

Die äußere Grenze des Innenohrs zum Mittelohr bildet das sog. „ovale Fenster“, das von der Fußplatte des Steigbügels verschlossen wird. Das Innenohr selbst besteht aus einer Art aufgerolltem Schlauch, der in mehrere, ineinander gewundene Gänge unterteilt ist. Die Form des etwa erbsengroßen Innenohrs erinnert dabei an ein Schneckenhaus. Dadurch erklärt sich auch der lateinische Name cochlea (lat. Schnecke).

Das gesamte Innenohr ist – anders als Außenohr und Mittelohr – mit Flüssigkeit angefüllt. Die von Außenohr und Mittelohr übertragene Schallenergie durchläuft die Gänge des Innenohrs deswegen in Form von Wellen. In den Gängen des Innenohrs befinden sich schließlich diejenigen Sinneszellen, die für die Verarbeitung von Schall zuständig sind: die Haarzellen. Sie sitzen in mehreren Reihen in den Innenohrgängen und reagieren mit Nervenimpulsen auf die Wellenbewegungen der Innenohrflüssigkeit.

Man unterscheidet innere und äußere Haarzellen, die in parallel verlaufenden Reihen in den Gängen des Innenohrs angeordnet sind. Die ca. 3000 inneren Haarzellen sind für die Aufnahme und Weiterleitung von Schallenergie zuständig. Die rund 12.000 äußeren Haarzellen beeinflussen dagegen aktiv die Sensibilität des Innenohres für Schallenergie. Durch sie ist der Mensch in der Lage, die Sensibilität des Gehörs, etwa bei starker Lärmbelastung, zu verringern. Denn sie haben die wichtige Aufgabe, leisen Schall zu verstärken und lauten Schall abzudämpfen. Sind die Haarzellen geschädigt, können leise Töne nicht mehr verstärkt und damit nicht mehr wahrgenommen werden. Laute Töne, die durch die Haarzellen nicht mehr abgedämpft werden, erreichen dagegen schnell die Unbehaglichkeitsschwelle. Sie werden als extrem laut und unangenehm wahrgenommen.

Beim gesunden Gehör werden die in den Haarzellen aufgenommenen Wellenimpulse in Nervenerregung umgesetzt und an den Hörnerv weitergeleitet, der sie an das Stammhirn und andere Teile des Gehirns weitergibt.

Der Hörbereich

Als Hörbereich bezeichnet man denjenigen Bereich des Schalls, der vom menschlichen Gehör wahrgenommen werden kann. Damit akustische Umweltreize gehört werden können, müssen sie zum einen in ausreichender Lautstärke auftreten. Zum anderen müssen sie sich in für das Gehör wahrnehmbaren Frequenzbereichen bewegen.

Der für Menschen hörbare Frequenzbereich liegt zwischen 16 Hertz und 20.000 Hertz. Den für Menschen nicht hörbaren Schall unterhalb von 16 Hertz bezeichnet man als Infraschall, den Schall oberhalb von 20.000 Hertz als Ultraschall. Bezüglich der Lautstärke ist der Hörbereich nach unten hin durch die Hörschwelle und nach oben hin durch die Schmerz- oder Unbehaglichkeitsschwelle begrenzt: bei zu geringer Lautstärke können auch akustische Reize, die im hörbaren Frequenzbereich liegen, nicht wahrgenommen werden, bei zu hoher Lautstärke werden akustische Reize nur noch als unangenehme, schmerzhafte Erlebnisse wahrgenommen.

Grafische Darstellung des menschlichen Hörbereiches, der sogenannten "Sprachbanane". Die Frequenzen und Dezibelwerte in denen der Mensch am besten hört, sind grafisch erkennbar., Grossansicht öffnen

Quelle: Audio Service

In der Abbildung ist die sogenannte "Sprachbanane" zu erkennen: der gelbe Bereich bezeichnet einen für das Sprachverstehen besonders wichtigen Bereich im Frequenzspektrum des menschlichen Hörens. Bei vielen Formen von Hörschädigung können wichtige Frequenzbereiche und damit Sprachanteile nicht mehr wahrgenommen werden, weil die Haarzellen des Innenohrs geschädigt sind. Besonders hiervon betroffen sind die für die Wortbildung wichtigen Zisch- und Explosivlaute wie k, p, st, t, v und z. Folge ist, dass Wortbedeutungen und die Bedeutung ganzer Sätze kombiniert werden müssen – und zwar während der normalhörende Sprecher sie zügig und ohne größere Pausen spricht.

Hörnerv und Hörzentrum

Der Hörnerv besteht aus Nervenfasern, die das Innenohr mit dem Hörzentrum des Gehirns verbinden. Man unterscheidet zwischen aufsteigenden (afferenten) und absteigenden (efferenten) Nervenfasern, die jeweils unterschiedliche Aufgaben haben.

Die aufsteigenden Nervenfasern geben die akustische Information, die in den Haarsinneszellen des Innenohrs aufgenommen wurde, an das Gehirn weiter. Die Informationen gelangen zunächst ins Stammhirn, von dort werden sie auf weitere Bereiche des Gehirns verteilt und gelangen schließlich in das Hörzentrum des Großhirns. Bestimmte Bereiche des Gehirns sind auf die Verarbeitung emotionaler Bedeutungen von Schall spezialisiert, andere Bereiche sind für die Verarbeitung von Sprache zuständig.

Die absteigenden Nervenfasern beeinflussen die Arbeitsweise des Gehörs aktiv. Von ihnen kann z. B. die Sensibilität des Innenohrs für Schall zeitweise herabgesenkt werden, wenn starke akustische Umweltreize registriert werden. Auch die Beweglichkeit der Gehörknöchelchen kann über die absteigenden Nervenfasern herabgesenkt werden, um die Schallweiterleitung an das Innenohr zeitweise abzudämpfen.

Weitere Informationen

Gesundheitsinformation.de – ein Projekt der Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Wie funktioniert das Ohr? (Webseite mit Film, Untertitel verfügbar)