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Barrierefreie Telekommunikationstechnik bereitstellen

Laptop mit davorliegendem Headset.

(Quelle: ClipDealer)

Welche Potenziale halten betriebliche Telefonanlagen und Telefonendgeräte für barrierefreie Telefonie bereit? Diese Frage gilt es zu klären, bevor mittels spezieller technischer Hilfen wie Telefonverstärkern "nachgebessert" wird. Auch neuere technische Entwicklungen, wie die IP-Telefonie mit Bildübertragung, erleichtern Personen mit Hörbeeinträchtigung die Telekommunikation erheblich.

1 Drei Probleme beim Telefonieren

Für Menschen mit Hörbeeinträchtigung hält Telekommunikationstechnik drei wesentliche Probleme bereit:

  1. akustische Anrufsignalisierung oft nicht ausreichend
  2. Übertragungsqualität von Sprache nicht ausreichend
  3. fehlende visuelle Kommunikationsressourcen beim Telefonieren

1.1 Anrufsignalisierung oft nicht ausreichend

Um Telefongespräche zu führen, müssen Anrufe von Gesprächspartnern entgegengenommen werden. Die gängige Form der Anrufsignalisierung ist aber die akustische: das Klingeln des Telefons soll auf einen eingehenden Anruf aufmerksam machen. Wenn dieses Signal nicht mehr zuverlässig wahrgenommen werden kann, entsteht ein Problem. Es existieren unterschiedliche einfache technische Lösungen, um Anrufsignalisierung barrierefrei zu gestalten. Diese reichen von visueller Signalisierung mittels Lichtsignal bis zum mitgeführten Funksender mit Vibrationsalarm.

1.2 Übertragungsqualität von Sprache nicht ausreichend

Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass die Übertragungsqualität von Sprache am Telefon im Vergleich mit der Sprachqualität beim „normalen“ Sprechen unter anwesenden Personen schlecht abschneidet. Hierbei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:   

Sprachschall bewegt sich in Form von Schwingungen, den sogenannten Frequenzen, durch den Raum. Wie oft Schallteile in der Sekunde schwingen, wird in der Maßeinheit „Hertz“ gemessen. Das menschliche Gehör kann Schallereignisse im Frequenzbereich von 16 Hertz bis 20.000 Hertz wahrnehmen. Der menschliche Hauptsprachbereich liegt zwischen 250 und 6.000 Hertz. Herkömmliche Telefone übermitteln Sprachsignale jedoch nur in einem Frequenzbereich von 300 bis 3400 Hertz. Somit gehen für die Sprache wichtige Frequenzbereiche verloren, Sprachinformationen verlieren an Dichte und Qualität.

Ein weiterer Faktor, der die Qualität bei der telefonischen Sprachübertragung einschränkt, ist die Lautstärke. Während beim Sprechen unter Anwesenden die Sprache bis zu hohen Lautstärken angehoben werden kann, sind Telefone hinsichtlich der Lautstärkeregulierung stark begrenzt.

Telefonieren mit Hörgerät

Für Hörgeräteträger hält das Thema der Übertragung von Sprachsignalen vom Telefon ans Hörgerät ganz eigene Problematiken bereit. Denn hier sind oft ein erheblicher Qualitätsverlust sowie Rückkopplungen bei der Übertragung zu verzeichnen – unabhängig davon, wie gut das Signal im Hörer modelliert wurde. Eigene technische Lösungen, die ermöglichen, das Sprachsignal direkt ins Hörgerät einzuspeisen, helfen hier weiter.

Hörgerät und Mobiltelefon., Grossansicht öffnen

(Quelle: Widex)

1.3 Fehlende visuelle Kommunikationsressourcen

Schließlich wird besonders bei höhergradigen Hörbeeinträchtigungen das Sprachverstehen am Telefon dadurch stark erschwert, dass Mimik, Gestik und Mundbild des Gesprächspartners nicht wahrgenommen werden können. Denn gerade bei höhergradigen Hörbeeinträchtigungen stützen sich betroffene Personen auf diese visuellen Ressourcen. Durch das Absehen vom Mund können z. B. bis zu 30 % der vom Menschen gebildeten Laute entschlüsselt werden. Mimik und Gestik lassen auch die Emotionen des Gegenübers erkennen.

Für Personen mit Hörproblemen ist es ohne Verfügbarkeit von Mimik und Gestik oft nur schwierig zu bestimmen, ob der Gesprächspartner am Telefon z. B. gerade mit wütender, weinerlicher oder trauriger Stimme spricht. Hier kann bildunterstützte Telefonie, z. B. Internettelefonie mittels spezieller Telefonie-Software und Internet-Kamera, möglicherweise weiterhelfen.

2 Barrierefreie Telefonanlagen

Telefonanlagen bilden die technischen Rahmenbedingungen für jedes geführte Telefongespräch. Um barrierefreie Telekommunikation zu gewährleisten, müssen Telefonanlagen bestimmte technische Merkmale aufweisen.

2.1 Vorteile von Internet-Telefonie für Personen mit Hörschädigung

Moderne Technologien halten viele Potenziale für die Kommunikation von Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen bereit. Als hilfreich erwiesen sich in der Vergangenheit z. B. die heutzutage in vielen Lebensbereichen allgegenwärtige E-Mail, das Faxgerät, und auch die Möglichkeit, SMS per Mobiltelefon zu versenden. Der Nutzen von Internet-Telefonie für die Telekommunikation von Personen mit Hörbeeinträchtigung wird momentan intensiv erforscht.

Gerade bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit geringgradigen Hörbeeinträchtigungen lohnt es sich zu prüfen, welche Telekommunikationstechnik im Alltag verwendet wird. Denn während herkömmliche Telefone nur Sprachsignale in einem Frequenzbereich von 300 bis 3400 Hertz übermitteln, umfasst Telefonie mittels Internet schon ein Frequenzspektrum von ca. 50 bis 8500 Hertz.

IP-Telefone sind vom Erscheinungsbild dabei nicht mehr von herkömmlichen Telefonen zu unterscheiden. Alternativ kann auch der Computer mit einer speziellen Telefonie-Software ausgestattet zum Telefonieren per Internet genutzt werden. Auch normale Festnetz- und Mobiltelefone können dabei vom Computer aus angerufen werden.

Checkliste barrierefreie Telefonanlage

  • Hohe Frequenzbreite der Sprachübertragung: ältere Anlagen arbeiten in einem Bereich von 300 bis 3400 Hertz, neue IP-Telefonie innerhalb eines Frequenzspektrums von ca. 50 bis 8500 Hertz. Letzteres ist optimal wegen dem positiven Effekt für Sprachverständlichkeit.
  • Hohe Lautstärkenausgabe für Hörer wählbar (bis zu 40 dB).
  • Hohe Lautstärke für Klingelton wählbar (bis zu 90 dB).

Wie neueste Studien zum Thema Internet-Telefonie und Sprachverstehen ergeben, verbessert sich das Verstehen für Personen mit Hörschädigung zum Teil erheblich. Auch Träger von Hörgeräten und Cochlea-Implantaten haben demnach Vorteile von der Nutzung der neuen Technologie.

Zurzeit wird noch erforscht, in welchem Maße die Echtzeit-Bildübertragung von Gesprächspartnern der Kommunikation förderlich ist. Die Möglichkeit der Bildübertragung wird von vielen Internet-Telefonie-Programmen unterstützt. Besonders für Beschäftige mit höhergradigen Hörschädigungen kann die Übertragung von Mimik, Gestik und Mundbild das Verstehen erheblich erleichtern.

2.2 Barrierefreie Endgeräte

Die Barrierefreiheit von Telefonendgeräten wird durch bestimmte Eigenschaften befördert.

Checkliste barrierefreie Telefongeräte

  • Anrufsignalisierung gemäß 2-Sinne-Prinzip (bei eingehenden Anrufen erfolgt standardmäßig auch ein optisches Signal)
  • Hohe Lautstärke des Klingeltons einstellbar
  • Hohe Lautstärkenausgabe für Hörer wählbar (bis zu 40 dB)
  • Hörer aussteckbar (wichtig, fals externer Verstärker angeschlossen werden muss)
  • Audio-Ausgang vorhanden (wichtig für zusätzliche Hilfsmittel wie z. B. FM-Sender oder Induktionsschleife)
  • Telefonhörer mit elektromagnetisch wirkendem Lautsprecher (Übertragung der Hörersignale induktiv zu einem  Hörgerät mit Telefonspule)
  • Telefon HD-fähig

Handelsübliche Telefongeräte erfüllen in der Regel nur wenige der oben genannten Kriterien. Nach unseren Recherchen bieten jedoch alle kabelgebundenen Festnetztelefone die Möglichkeit, mittels einer Telefonspule im Hörgerät Telefonsignale störungsfrei zu empfangen. Anders ist es mit Handys oder Smartphones. Hier gilt es, gezielt nach Produkten zu suchen, die dieser Anforderung gerecht werden.

3 Hörgeräte mit hilfreichen Schnittstellen

Falls Sie schon ein Hörgerät besitzen, sollte dies möglichst kompatibel sein mit externen Geräten, die zur Sprachübertragung dienen bzw. diese verbessern. Wichtige Beispiele für solche externen Geräte sind das Telefon und Sprachübertragungsanlagen. Um diese Geräte optimal nutzen zu können, müssen Hörgeräte entsprechende Ausstattungen haben:

  • Eine Telefonspule ist vorhanden.
  • Eine Steckvorrichtung für das Anstecken eines Audioschuhes ist vorhanden.

3.1 Telefonspule

Als Telefonspule, T-Spule oder Induktionsspule bezeichnet man ein Bauteil, welches in vielen Hörgeräten integriert ist. Die Telefonspule kann Sprachsignale, die in Form elektromagnetischer Spannung verschlüsselt sind, direkt empfangen und an das Gehör weiterleiten. Dies ist der Sprachqualität und dem Verstehen zuträglich.

Die Hörer von speziellen Schwerhörigentelefonen sondern elektromagnetisch verschlüsselte Sprachsignale ab, die von der T-Spule empfangen werden können. Hierzu wird das Hörgerät auf das Programm „T“ (Telefonspule) umgestellt und die Hörermuschel des Telefons an das mit dem Hörgerät versorgte Ohr gehalten.

Bei Telefonen ohne elektromagnetisch wirkenden Hörer kann auf die Verwendung einer sogenannten Halsringschleife zurückgegriffen werden. Diese wandelt elektrische Sprachsignale in elektromagnetische Spannung um und erlaubt so die Nutzung der T-Spule.

3.2 Audioschuh

Als Audioschuh bezeichnet man einen Adapter, welcher auf ein Hinter-dem-Ohr Hörgerät aufgesteckt werden kann. Der Audioschuh erweitert die Funktionalitäten des Hörgerätes: Auf ihn kann ein FM-Empfänger aufgesteckt werden oder er wird per Audiokabel direkt mit einer Audio-Quelle verbunden. Auf diese Weise ist es möglich, die Signale externer Audio-Geräte wie Radio, Fernseher usw. direkt im Hörgerät zu empfangen.

Darüber hinaus können bei Veranstaltungen durch den Einsatz von Sprachübertragungsanlagen und Audioschuh Sprachsignale direkt und unauffällig ans Gehör übertragen werden. Voraussetzung für die Verwendung eines Audioschuhs ist, dass am Hörgerät spezielle Steckverbindungen existieren. Es ist nicht bei allen HdO-Hörgeräten möglich, einen Audioschuh anzubringen. Bei In-dem-Ohr Hörgeräten ist dies grundsätzlich nicht möglich.

Im Bild zu sehen ist ein HdO-Hörgerät mit Audioschuh und Audiokabel. Zu erkennen ist der dreipolige Stecker des Audiokabels, der in den Audioschuh eingesteckt wird. Anstatt des Audiokabels kann an selber Stelle ein FM-Empfänger eingesteckt werden.

Hörgerät mit Audioschuh und Audiokabel., Grossansicht öffnen

(Quelle: Carsten Ruhe)

Im Bild unten: Ein FM-Empfänger zum Aufstecken auf ein HdO-Hörgerät mit Steckanschluß.

Aufsteckbarer FM-Empfänger für Hörgeräte mit Audioschuh., Grossansicht öffnen

(Quelle: Phonak)