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Kassenärztliche Vereinigung Hamburg

Planung einer induktiven Höranlage

Wie geht man bei der Planung und Anschaffung einer induktiven Höranlage vor? Das Beispiel zeigt ein Beratungsgespräch eines Akustikberaters mit der „Planungsgruppe Neubau“ der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg.

Ausgangslage

Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg plant einen Neubau ihres Gebäudes. Detaillierte Baupläne existieren bereits, ein Planungsteam ist gebildet. Diesem gehört auch die Schwerbehindertenvertreterin Michaela Hogg an. In einem hörkomm.de-Vortrag hat sie von den Möglichkeiten erfahren, Besprechungs- und Veranstaltungsräume mit induktiven Höranlagen auszustatten. Diese Anlagen ermöglichen die Übertragung von Wortbeiträgen der Redner direkt auf die Hörgeräte von Teilnehmern. Sprachsignale können so von schwerhörigen Zuhörerinnen und Zuhörern in hoher Qualität empfangen werden.

Michaela Hogg regt an, die Möglichkeiten des Einbaus induktiver Anlagen zu prüfen und stößt damit bei Bauherrn und Architekten auf Interesse. Auf Barrierefreiheit auch in punkto Hören zu achten, erscheint sinnvoll, besonders da die Räumlichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigung auch an Selbsthilfegruppen vermietet werden. Außerdem wird auch die Ärzteschaft im Zuge der demografischen Entwicklung tendenziell älter, es lohnt sich also, das Thema „gutes Hören“ schon jetzt aufzugreifen.

Gerne nimmt man das Angebot von hörkomm.de an, einen beratenden Ingenieur für Akustik einzubeziehen, der die Planungsgruppe in einem ersten Beratungsgespräch über Möglichkeiten, Voraussetzungen und die Planung einer induktiven Höranlage aufklären kann.

Was wurde gemacht?

Die Schwerbehindertenvertretung organisiert eine Besprechung mit dem Akustikberater, einer Mitarbeiterin von hörkomm.de und der Planungsgruppe für den Neubau. Hierzu zählen die Vertreter des Bauherrn, Architekten, Innenarchitekten und Verantwortliche für Haustechnik. Auch eine hörbehinderte Mitarbeiterin ist eingeladen.

Wie funktioniert eine induktive Höranlage?

In diesem ersten Gespräch wird deutlich, dass nicht allen Teilnehmern klar ist, wie eine induktive Höranlage arbeitet und was sie leistet. Der Akustikberater erläutert das Funktionsprinzip: im einfachsten Fall wird im Fußboden eine Kabelschleife verlegt, die an einen Verstärker angeschlossen ist. Sprechen die Teilnehmenden in Mikrofone, werden die Sprachsignale über den Verstärker in das Kabel eingespeist und können von der Induktionsspule in den Hörgeräten empfangen werden (Ausführliche Informationen unter Induktionsanlage).

Welche Räume sollen mit induktiven Höranlagen ausgestattet werden?

Die Vertreterin des Bauherrn gibt als Ziel vor, den großen Plenarsaal und auch kleinere Besprechungsräume mit Induktion auszustatten. Wie viele Räume insgesamt ausgestattet werden können, sei von den Kosten abhängig, sagt sie.

Der Akustiker erklärt, dass grundsätzlich nur Räume, für die eine Beschallungsanlage / Mikrofonanlage vorgesehen ist, mit einer Induktionsanlage ausgestattet werden sollten. In den anderen Räumen sollte die Raumakustik so gut gestaltet werden, dass keine Zusatzanlage notwendig ist. Planungsgrundlage hierzu bildet die Norm DIN 18041 „Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen“.

Was kostet eine induktive Höranlage?

Der Fachmann gibt an, dass pro Raum mindestens ein spezieller Schleifenverstärker notwendig ist. Für diesen sind Kosten von rund 1000 Euro vorzusehen. Einzubeziehen sind die Kosten für das Verlegen der Kabel. Es werden Standardkabel verlegt.

Können alle schwerhörigen Menschen induktive Höranlagen nutzen?

Die Teilnehmer fragen den Experten, wie viele Hörgeräte eine Induktionsspule besitzen und damit die induktive Verstärkung nutzen können. Der Akustikingenieur gibt an, dass circa 65 % aller Hörgerätetypen mit einer passenden Schnittstelle ausgestattet sind bzw. werden können. Er bezieht sich dabei auf eine Untersuchung zum Thema aus dem Jahr 2012 mit 600 Hörgeräten im Test.

Gibt es Alternativen zu induktiven Höranlagen?

Im Anschluss werden mögliche Alternativen zu induktiven Höranlagen erörtert. Hierzu zählen FM- oder Infrarotanlagen. Ein Nachteil dieser Techniken ist, dass für die Nutzer Zusatzgeräte, wie etwa spezielle Empfänger, notwendig sind. Dies entspricht nicht dem Prinzip der Barrierefreiheit, nach dem der Einsatz spezieller Hilfen möglichst vermieden werden soll. Zudem verursacht die Bereithaltung der Empfänger zusätzliche Kosten. Andererseits bieten FM- und Infrarotanlagen den Vorteil des mehrkanaligen Betriebs, was etwa sinnvoll ist, wenn Veranstaltungen gedolmetscht werden. In solchen Fällen ergibt sich wiederum die Barrierefreiheit dadurch, dass alle Teilnehmer (die gut hörenden und die Schwerhörigen) einen Empfänger erhalten.

Der Architekt möchte daraufhin wissen, ob man mit induktiven Anlagen Musik in Stereo empfangen kann? Der Experte, der selbst Hörgeräte trägt, erläutert, dass dies nicht möglich sei. Doch als Hörgeräteträger sei man auch schon sehr froh über einen ausgezeichneten Empfang in Mono. Oft sind die Hörverluste auf beiden Ohren sehr unterschiedlich, sodass der Stereo-Effekt ohnehin nicht wahrgenommen wird.

Worauf muss man beim Einbau induktiver Anlagen achten?

Gemeinsam gehen die Teilnehmer die Baupläne durch. Es wird sichtbar, dass Räume, die für eine Ausstattung mit Induktionsanlagen infrage kommen, nebeneinander oder auch übereinander liegen. Wie der Akustikberater erklärt, kann dies zum Problem werden, da sich Induktionsfelder überlappen können. Ein induktives Feld entsteht nämlich nicht nur innerhalb der Kabelschleife, sondern auch an den Außenrändern des Kabels. Es gibt jedoch Möglichkeiten, dies zu verhindern. So können die Kabel auf eine spezielle Weise verlegt beziehungsweise zwei Kabelschleifen für einen Raum miteinander verschachtelt verlegt werden. Allerdings müssen dann auch zwei Verstärker angeschafft werden.

Diskutiert wird ebenfalls der Umgang mit Räumen, die mit einer Trennwand aufgeteilt werden können. Hier muss entschieden werden, ob der gesamte Raum oder nur ein Teil ausgestattet werden soll.

Der Architekt weist daraufhin, dass in dem Neubau viel Metall verbaut wird und fragt, ob das Induktionsfeld hierdurch gestört werden kann? Der Verantwortliche für die Haustechnik ergänzt, dass zudem im Boden viele andere Kabel, etwa von der Beschallungsanlage und anderen Installationen, verlegt werden müssen.

Der Experte bestätigt, dass beide Fälle tatsächlich zum Problem werden können. Auch hier kann das Verlegen mehrerer Induktionskabel eine Lösung bieten. Er empfiehlt zudem, die anderen Kabel nicht in geschlossenen Ringen zu verlegen. Damit der Einbau der Induktionsschleife entworfen werden kann, sei außerdem ein Lageplan der anderen Kabelwege hilfreich.

Vorläufiges Fazit

Die Planungsgruppe der Kassenärztlichen Vereinigung ist nach dem Beratungsgespräch von den Vorteilen der induktiven Lösung überzeugt und die Vertreter des Bauherrn halten die Kosten für die Ausstattung für vertretbar. Man kommt überein, Kostenvoranschläge einzuholen und daraufhin die genaue Planung auszurichten.

Der Akustiker bietet dem Haustechniker, der auch die Beschallungsanlage zu planen hat, Hilfestellung bei anstehenden Fragen an und hebt hervor, dass der frühzeitige Einbezug sinnvoll sei. Er bietet auch an, die Planungsunterlagen, die Ausschreibung und die Angebote zu prüfen und Kontakte zu (mehreren gleichrangigen) Firmen zu vermitteln. Weiterhin kann er Hilfestellung bei der Überwachung des Einbaus, beim Einmessen und bei der Abnahme leisten.